Durchmustern von Tausenden Wintergänsen

Da stehen oder wahlweise laufen sie auch, durchgeknallte Leute – solche wie wir – an kalten Wintertagen an Seeufern und Durchmustern stundenlang Gänsetrupps. Besondere Aufregung macht sich breit, wenn diese Abfliegen und eventuell sogar in Beobachterrichtung fliegen. An dem Tag haben wir im Gebiet neben anderen Vögeln ca. 1.000 Blässgänse, 1.400 Tundrasaatgänse und 60 Graugänse aufmerksam durchgesehen. Der Lohn der Mühe wird im heutigen Beitrag vorgestellt.

Die beiden Gänse, die etwas separat unten fliegen, zeigen einen etwas kürzeren Schnabel, aber noch wichtiger: Die Schnabelbinde ist nicht gelb-orange, sondern rosa! Ebenso wie die Beine, was man je nach Schattenwurf und Haltung im Gefieder im Flug aber nicht immer deutlich sieht. Das sind Kurzschnabelgänse, die der Tundrasaatgans zum Verwechseln ähnlich sehen. Ganze 3 Individuen konnten wir zweifelsfrei unter den 1.400 Tundrasaatgänsen entdecken.

Die Brutgebiete der Kurzschnabelgans teilen sich auf 2 Populationen auf: eine brütet auf Spitzbergen, die andere in Östgrönland und Zentralisland.

Zugegeben: Das Foto aus weiter Entfernung gewinnt keinen Preis, aber ist eine ausreichende Dokumentation. Achtet mal auf die beiden Saatgänse ganz vorne; links und rechts am Bildrand.

Ich hatte mir die Bilder Zuhause am PC nochmal in Ruhe angesehen und dabei sind mir folgende Merkmale förmlich ins Auge gesprungen: Längerer Schnabel & dünner schwanenartiger Hals. Diese strukturellen Merkmale sprechen zweifelsfrei für die hier seltener zu findende Unterart der Saatgans, die Waldsaatgans (Anser fabalis fabalis). Ein Merkmal, was öfter als bei der Tundrasaatgans (A. f. rossicus) zu finden ist, ist der weiß befiederte Schnabelgrund; dieser ist allerdings kein sicheres Merkmal und tritt auch gelegentlich bei den Tundras auf. Ein weiteres unsichere Indizienmerkmal ist die gelb-orange Schnabelbinde, die bei den Waldsaatis weniger Variantenreichtum aufweist, als bei den Tundras.

Die Brutgebiete der Waldsaatgans liegen in der Taiga Westsibiriens und reichen bis nach Zentralskandinavien. Im Winter erreicht uns ein Maximum an Individuen von maximal 11.500 mit sinkender Tendenz – deutlich weniger als die 430.000 Tundrasaatgänse.

Häufige Wintergäste aus dem Norden: Saatgänse

Im Winter kann man auf größeren Seen und natürlich auch an der Küste, unter den Graugänsen (und einigen Seltenheiten) vor allem noch zwei andere Arten ausmachen: Die Blässgans sowie die Tundrasaatgans. Dass die beiden gerne zusammen rasten und überwintern, kann man auf dem ersten Foto sehen. Von der Saatgans (Anser fabalis) ist im Winterhalbjahr vor allem mit 2 Unterarten zu rechnen: Die mit weitem Abstand häufigste, welche auch auf den Fotos zu sehen ist, ist die Tundrasaatgans (A. f. rossicus). Nur vereinzelt bei uns zu sehen ist dabei die Unterart Waldsaatgans (A. f. fabalis).

Mit einem Überwinterungsbestand von 430.000. Individuen ist die recht dunkle Tundrasaatgans in den entsprechenden Habitaten häufig zu beobachten. Neben dem erwähnten dunkleren Eindruck im Vergleich zu anderen Feldgänsen (Anser spec.), der vor allem durch den dunkel gefärbten Kopf entsteht, ist der schwarze Schnabel mit der gelb-orangen Binde markant. Die Ausprägung, Form und Größe dieser Binde ist dabei extrem variabel.

Der Name deutet es an: Die Art brütet im Sommerhalbjahr in der russischen Tundra auf unbewaldetem Gebiet.

Viele Blässgänse

Während der Brutzeit im Sommerhalbjahr trifft man hierzulande höchstens einzelne Übersommerer der Blässgans an, aber keine Brutvögel. Die Brutgebiete dieser nordischen Gänseart liegen in Grönland und im hohen Norden Russlands.

Im Winterhalbjahr dagegen erreicht das Maximum an in Deutschland rastenden bzw. überwinternden Individuen bis zu 420.000! Zu dieser Zeit sind viele Individuen und Arten aus der Anser-Gattung zusammen auf Seen und Wiesen und es kann auf die Distanz kniffelig sein, zu erkennen, welche Arten alle dabei sind. Wie ich schon einmal beschrieben habe, zeigen juvenile Blässgänse auch weder die aus der Ferne leuchtende Blässe, noch deutliche Tigerstreifen auf dem Bauch. Die Art verrät ihre Anwesenheit aber noch durch ein ganz anderes Merkmal, was bei Wasservögeln gelegentlich etwas unter dem Beobachtungsradar bleibt: Durch ihre Rufe.

Während jeder das typische Graugans-Geschnatter kennt und die Tundra-Saatgans eher trompetend-rauer klingt, wirken die Rufe der Blässgans deutlich quitschiger und höher.

Enten im Abendlicht

Auf dem ersten Foto sehen wir im Fokus ein Weibchen der Reiherente, welche zum Tribus der Tauchenten zählen und nicht wie bspw. die Stockente zu den Gründel- bzw. Schwimmenten. Der Name kommt nicht von ungefähr: Beim namensgebenden Tauchgang kann man sie oft auf der Nahrungssuche nach kleinen Wassertieren, vor allem Mollusken und Insektenlarven, beobachten.

Die Art ist mit einem Brutbestand von 21.000-31.000 Paaren auf vielen unserer Seen anzutreffen.

Die Tafelente auf dem 2. Foto hat ihr Brutgebiet erst in den letzten Jahrzehnten Richtung Westen ausgebreitet, ist als Brutvogel bei uns mit 2.800-3.900 Brutpaaren aber immer noch recht selten. Im Winter kann man sehr viele Durchzügler sehen, ein kleinerer Teil davon überwintert auch hier. Als Tauchente holt sich die Tafelente ihre aus kleinen Wassertierchen und sowie Pflanzen bestehende Nahrung meist Unterwasser. Dabei taucht sie bis zu 3,5m tief und bleibt auch mal 25s Unterwasser.