Sie ist wesentlich kleiner als die Kohlmeise und hatte 2020 auch mit einer Seuche zu kämpfen. Unbeachtet vom Medienecho und großer Panik, haben sich Bestände aber innerhalb kürzester Zeit wieder erholt, was kein Wunder ist, da die Blaumeise ökologisch eher zu den Generalisten zählt und zudem ein Kulturfolger ist und obendrein durch viele Menschen gezielt unterstützt wird.
Hier seht ihr eine ganz witzige Bilderreihe:
Bild 1: Hmmm leicht verdiente Fliegen
Bild 2&3: mit dem Spinnennetz wie eine Spaghetti runterziehen
Bild 4: Ohje, voll bekleckert
Bild 5: Alles voller Spinnweben und Fliegen – vor lauter Aufregung erstmal die Haube aufstellen
Eine Blaumeise kurz vor dem Abflug. Da ich einige niederländische Nest-Webcams schaue (https://www.vogelbescherming.nl/beleefdelente), ist mir auch ihr sehr witziger niederländischer Name bekannt: Pimpelmees
Da die allseits bekannte (und beliebte) Blaumeise (zumindest in Deutschland) eindeutig zu den Standvögeln zählt, sieht man sie auch jederzeit im Winter. Vor allem wenn die Bäume kahl sind, kann man ihre Tischmanieren gut beobachten: kopfüber, hängend, kletternd, keine Stellung scheint zu unbequem. Da hat sie eindeutig Gemeinsamkeiten mit dem Erlenzeisig.
Ob sie dabei auch Spaß hat, kann man schwerlich sagen, aber in jedem Fall kommt sie so gut an schwer erreichbare Sämereien. Bei einem Gewicht von gerade einmal um die 11g hat sie es auch – im wahrsten Sinne des Wortes, dabei nicht so schwer.
Die Meise auf den Fotos hatte sich aber, für den Moment zumindest, eine etwas bodenständigere Art der Nahrungssuche gewählt
Blaumeise im März auf einem Minizweig.
Wenn man die bei uns häufigen Blaumeisen beobachtet, stellt sich irgendwann unwillkürlich die Frage, wie sie sich eigentlich untereinander wahrnehmen und unterscheiden, da der Geschlechtsdimorphismus in den Gefiedermerkmalen äußerst schwach ausgeprägt und kaum zweifelsfrei zu erkennen ist. Es ist nun schon länger bekannt, dass viele Vögel, wenn auch bei weitem nicht alle, im UV-Bereich sehen können. Da könnte es doch sein, dass Blaumeisenweibchen und -männchen durchaus unterschiedlich aussehen und nur wir Menschen das mit unserem begrenzten Umfang bei der Wahrnehmung von Lichtwellen (sichtbares Licht) nicht sehen.
Genau das wurde auch in zwei Studien bei der Untersuchung mit UV-Licht nachgewiesen: In „Ultraviolet Sexual Dimorphism and Assortative Mating in Blue Tits“ (Andersson et al. 1998) und „Blue tits are ultraviolet tits“ (Hunt et al. 1998). Dies stellt aber auch unter Vögeln eine Besonderheit dar. In einer Untersuchung auf UV-Reflektivität des Gefieders und auf die Fähigkeit zur UV-Licht-Wahrnehmung, hat man bei der Untersuchung von knapp 1.000 Arten aus 23 verschiedenen Ordnungen, keinen einzigen anderen Fall dieser Art von „verstecktem“ Sexualdimorphismus gefunden. Das ist also eine echte Besonderheit unserer kleinen Blaumeise und vielleicht weniger anderer Arten, die man bisher noch nicht untersucht hat (Studies on UV reflection in feathers of some 1000 bird species: are UV peaks in feathers correlated with violet-sensitive and ultraviolet-sensitive cones?; Peter Mullen & Georg Pohland, 2007).
Mal ehrlich: Bei diesem süßen Kindchen-Schema in Plüschball-Optik mag man das Kleine am liebsten Knuddeln und mitnehmen. Was eher im übertragenen Sinne übertrieben gemeint war und die Niedlichkeit ausdrücken soll, wird von einigen Menschen leider ernst gemeint. Als vermeintlich hilflos deklariert, werden (verbotenerweise) oft nicht hilfsbedürftige Wildvögel aus der Natur entnommen und entweder in Überforderung falsch aufgezogen oder es werden Pflegestationen mit Vögeln überhäuft, die gar keine Hilfe bräuchten.
Dieser junge Blaumeisen-Ästling wirkt nur auf den ersten Blick hilflos: schon nach kurzer Beobachtungszeit kann man feststellen, dass der kleine Fratz mit Hilfe von Krallen, Schnabel und Flügelschlägen unglaubliche Kletterfähigkeiten aufweist. Auch die Eltern reagieren auf die piepsenden Bettelrufe und füttern fleißig weiter. Die Fotos zur Fütterung zeige ich dann im nächsten Beitrag.
Weitere Information zum Thema Nestling/Ästling und ob bzw. wann ein Vogel hilfsbedürftig ist.
Die piepsenden Bettelrufe wurden erhört: Da kommt das Futter!
Kein Wunder, sind es vor allem die Eltern selbst, die ihre noch nicht flüggen Jungvögel oft nach draußen locken, indem sie weniger Futter ins Nest bringen und auffordernd von draußen rufen. Teilweise kommen so Jungvögel aus dem Nest, die noch mehrere Tage bis zu einer Woche brauchen, um überhaupt flugfähig zu sein, was natürlich ein enormes Potenzial für Prädationsereignisse hergibt. Dies bildet sich entsprechend auch in den Daten zur Überlebensrate ab, die in dieser Ästlingsphase am geringsten ist.
Da stellt sich natürlich die Frage: Warum forcieren Vogeleltern dieses Verhalten dann? In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2020 wird genau dieser Frage nachgegangen und man kommt nach Auswertung mehrerer Studien zum Schluss, dass damit zwar der Verlust einzelner Individuen erhöht, dafür aber das Risiko die komplette Brut durch ein einzelnes Ereignis (vor allem Prädation) zu verlieren, verringert wird.
Bei so einem winzig kleinen Fluffball wie der Blaumeise bekommen viele Menschen unwillkürlich Mitleid, dass der arme Vogel sich im Winter den gefiederten Popo abfriert.
Darauf beruht das weit verbreitete Missverständnis, dass Vögel im Winter wegen der Kälte ziehen – tatsächlich geht es (wie bei Winterschlaf haltenden Säugern) ausschließlich um die Verfügbarkeit von Nahrung.
Die meisten Vögel sind ausreichend gegen Kälte isoliert und zumindest einige, vielleicht sogar alle, haben im Gegensatz zu uns Menschen die Möglichkeit ihre Mitochondrien-Zahl bei Kälte einfach zu erhöhen! Zudem besitzen sie die wärmeproduzierenden Mitochondrien auch in den Roten Blutzellen – Von diesem Heizsystem können wir kälteempfindlichen Menschen nur träumen, da wir weder einen biochemischen Automatismus haben, der die Anzahl in der kalten Jahreszeit erhöht, noch überhaupt welche in den Roten Blutzellen haben.
Herausgefunden wurde das in einer 2021 veröffentlichten Studie, an der Wissenschaftler der Lund University in Schweden und Glasgow University in Schottland gearbeitet haben. Untersucht wurde dies an Blau-, Kohl und Tannenmeisen und es spricht nichts dagegen, dass es bei anderen Vögeln ähnlich ist. Wichtig ist für Vögel im Winter also, dass sie ausreichend Energie in Form von kalorienhaltiger Kost vorfinden, mit der sie die Mitochondrien versorgen können.
In diesem Licht betrachtet ist es wohl eher so, dass die Blaumeise mit uns Menschen im Winter Mitleid haben könnte
Ein zusammenfassender Kurzartikel der Lund-University
Das Original-Paper
In der Ökologie gibt es den Begriff der Nische, welcher ausdrückt, in welcher Wechselwirkung ein Lebewesen zu seiner Umwelt steht und an welche Bedingungen es sich adaptiert hat. Hier hat sich die Blaumeise eine Nische der ganz anderen Art besetzt: Eine Wandnische einer alten Scheune als Brutplatz!
Das Gelege einer Blaumeisenbrut besteht i.d.R. aus 6-14 Eiern, welches in Nischen, kleinen Baumhöhlen, Nistkästen o.ä. auf einem Napf aus Moos, Haaren und Federn liegt. Meist schreiten Blaumeisen nur zu einer Jahresbrut, Zweitbruten sind selten.
Genetische Untersuchungen haben schon vor längerem den Mythos der monogamen Saisonehe unter Meisen widerlegt, bei Blaumeisen findet man in knapp der Hälfte der Nester mind. ein Ei, welches Erbmaterial eines anderen Männchens enthält. Interessant dabei ist, dass es vor allem ältere Blaumeisen-Männchen sind, welche die Seitensprünge begehen – Forschende um Bart Kempenaers vom Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz fanden in einer Studie von 2007-2022 in Oberbayern heraus, dass es nur 13% der jungen Männchen, aber über 40% der älteren Männchen sind, welche beim Seitensprung erfolgreich sind. Um dem auf den Grund zu gehen, hat man in einer Folgestudie, die 2024 in Plos Biology erschien, kurzerhand die alten Männchen gefangen, in ein anderen Gebiet verfrachtet und das Treiben dann beobachtet. Und siehe da: Nun schafften 33% der jungen Männchen ihr Genmaterial in ein fremdes Gelege zu bringen. Daraus kann man schlussfolgern, dass ältere Männchen gegenüber jüngeren in diesem Konkurrenzkampf überlegen sind; sei es beim Werben, einem vielleicht besseren Jagderfolg durch Erfahrung oder weil Blaumeisen-Weibchen vielleicht ältere Männchen bevorzugen. Evolutionär betrachtet macht das natürlich auch für das Weibchen Sinn, da dadurch die genetische Diversität ihrer Brut und der lokalen Population erhöht wird und diese damit resistenter wird und flexibler auf Veränderungen reagieren kann. Für die Männchen bietet es den Vorteil, die eigenen Gene weitergegeben zu haben, auch wenn sie es zu keinem eigenen Gelege bringen oder das eigene vielleicht scheitert.