Unseren bekanntesten und häufigsten Specht kennt ihr ja alle: Den Buntspecht. Auf den Fotos sieht man ein Weibchen. Dies erkennt man daran, dass sich im Gegensatz zum Männchen kein roter Fleck auf dem Kopfgefieder befindet.
Das Trommeln der Spechte, was man zur Zeit auch oft vernehmen kann, hat übrigens nichts mit der Nahrungssuche oder dem Nestbau zu tun – es dient der Kommunikation und wird von beiden Geschlechtern benutzt. Der Specht sucht sich dafür gezielt einen Ast oder Stamm, der sich als Resonanzkörper eignet und übermittelt damit Informationen zum Revier oder zur Partnersuche.
Folgend sehen wir Herrn Buntspecht. Zu identifizieren am roten Nackenfleck, den das Weibchen nicht hat. Den Buntspecht kann man auch sehr oft rufen hören, nur ist sein Ruf nicht so markant wie der vom Grün- oder Schwarzspecht. Beim Buntspecht ist es ein kurzes, aber kräftiges „Tschüp!“
Von einer „Schmiede“ spricht man in der Ornithologie, wenn ein Objekt als Hilfsmittel bei der Nahrungsbeschaffung genutzt wird. Drosselschmieden sind z.B. Steine, die von Singdrosseln zum Zertrümmern von Schneckengehäusen genutzt werden, um an die Weichtiere zu gelangen. Analog dazu nennt man solche Hilfsobjekte, die von manchen bei Spechten genutzt werden, Spechtschmieden.
Dazu nutzen sie Spalten in Baumstämmen oder Astgabeln, um Baumzapfen oder Nüsse darin einzuklemmen und an die Samen bzw Kerne zu gelangen. Das ist schon nicht blöd, aber es wird noch interessanter:
Spechte gehören zu den überdurchschnittlich intelligenten Vögeln und speziell der Buntspecht nutzt nicht nur solche Hilfsmittel, sondern baut sie zielgerichtet! Das setzt Verständnis, Planung, Investition und auch eine Menge Gedächtnisarbeit voraus.
Die Fotos zeigen ein Weibchen, welches eine solche Spechtschmiede nutzt, um den Koniferenzapfen aufzuhacken und an die nahrhaften Samen zu kommen.
Dieser männliche Buntspecht hat sein Revier im November von der Spitze eines Baumes aus markiert, indem er die typischen einsilben Ruflaute „Tschüpp!“ erklingen ließ. Das ist übrigens auch der Ruf bzw. Imitation, den einige Buchfinken-Männchen ans Ende ihres Gesanges setzen.
Die Balz beim Buntspecht gleicht einer Drohbalz, da Buntspechte ausgesprochene Einzelgänger sind und eine Weile brauchen, um sich an einen Partner zu gewöhnen. So ist jeder Buntspecht vor allem in der Anfangsphase im stetigen Wechselbad zwischen dem Drang sein Revier gegen jeden Artgenossen zu verteidigen und dem Sexualdrang, um einen Partner zu werben. Balzende Spechte erkennt man dann auch daran, dass sie in wilden Verfolgungsjagden durch die Gegend düsen und sich kletternd sowie hüpfend an Baumstämmen und Ästen jagen.
Auch interessant bei der Balz der Buntspechte ist die Tatsache, dass es hier bei den Rollen der Geschlechter ein wenig anders läuft als meisten: Das Männchen hält zwar ein Revier, aber mehrere Weibchen konkurrieren dabei um ein Männchen mitsamt Territorium. Als Sieger gehen meist ältere Weibchen mit Bruterfahrung hervor.
Diese hübsche Buntspecht-Dame habe ich im April bei der Nahrungssuche entlang der Saale fotografieren können. Man erkennt das Weibchen am fehlenden roten Fleck im Nackenbereich; diese Art des Geschlechtsdimorphismus gibt es bei fast allen Spechten. Beim Grün- und Grauspecht ist es ein roter Wangenfleck, beim Dreizehenspecht die gelbe Kopfkappe, beim Mittelspecht ist die rote Kopfkappe unterschiedlich lang und stark gefärbt usw.
Etwas, das schon immer für Interesse und Forschung gesorgt hat, war die Frage, wie Spechte ihr Hämmern beim Höhlenbau oder beim Trommeln schadlos überstehen können. Viele Studien und anatomische Betrachtungen haben jahrelang dafür plädiert, dass eine stoßdämpfende Wirkung Schäden verhindert. So haben koreanische Forscher 2011 in dem schwammartigen Knochen hinter dem Oberschnabel eine Art Absorptionsmaterial gesehen. Auch chinesische Forscher haben 2020 dem Zungenbein eine stoßdämpfende Wirkung zugesprochen, da es sich bei Spechten auffallend ganz um den Schädel spannt.
Eine neue Studie von der Universität Antwerben aus dem Jahr 2020 scheint das nun in Frage zu stellen und hat gute Argumente dafür: Gäbe es die stoßdämpfende Wirkung, würde das die Kräfte beim Schlag natürlich nicht nur im Kopf ausgleichen, sondern auch am Baum – es wäre kontraproduktiv und Spechte müssten noch viel mehr Kraft aufwenden. Dies wurde auch schon in einer Studie 1976 bemerkt. Vielmehr ist es so, dass im Spechtkopf ganz andere Kräfte wirken als bspw. bei uns Menschen. So ist der Kopf an sich und damit die Bewegungslänge viel kleiner, aber auch die Gehirnmasse ist bei Spechten so gering, dass viel kleiner Kräfte dort auftreten. Das zusammen mit der festen Einbettung des Gehirns reicht aus, um Schäden zu verhindern. Sie müssten dazu mind. doppelt so hart auf Holz schlagen, dass eine Dämpfung notwendig wäre.
Es gibt aber auch noch eine Menge weiterer interessanter anatomischer Anpassung an diesen Lebensstil: Die Schädeldick von Spechten ist verhältnismäßig dicker als bei anderen Vögeln und die Augen sind in einem knöchernen Sklerotikalring eingefasst und daher besonders gut geschützt. Dieser Sklerotikalring hat nur hinterseitig eine Kleine Öffnung für den Sehnerv und ist sonst massiv. Besonders starke Kiefernmuskeln können zudem die auftretenden Kräfte durch ein Zusammenziehen Millisekunden vor dem Schlag gleichmäßiger weiterverteilen. Im Vergleich zu anderen Vögeln ist auch der Unterschnabelknochen länger und die auftretenden Kräfte beim Schlagen über Wirbelsäule, Rippen und natürlich den Baumstamm weiterleiten. Bei den Rippen geht es mit Besonderheiten auch gleich weiter: Die ersten Rippenbögen sind bei Spechten verbreitert und zusätzlich durch kleine Querstreben verbunden. Die dort liegenden Bänder und Muskeln sind besonders kräftig ausgebildet, was eine Weiterleitung der Kräfte ebenso verbessert.
Spechte müssen also keine Angst vor Kopfschmerzen haben und könne Hämmern und Trommeln, was das Zeug hält (oder im Fall von morschem Holz auch nicht hält).
Bei dieser Tour durch einen Wald Mitte Juni waren wir genau zu der Zeit unterwegs als viele Buntspechte flügge und so langsam selbstständig geworden sind – naja besser gesagt: selbstständig werden mussten. Bei dem vielen Rufen, die sie von sich gegeben haben, hätten sie sicher gerne noch den elterlichen Essens-Lieferservice in Anspruch genommen
Junge Buntspechte beider Geschlechter zeigen stets eine rote Kappe, die bis zur Stirn reicht und erinnern damit ein klein wenig an den Mittelspecht. Aber auch bei den jungen Spechten kann man bereits die spätere schwarze Kappe erkennen, da der Rotanteil immer auch von Schwarz eingerahmt ist, was beim Mittelspecht nicht der Fall ist.
Auch der typische Bartstreif, der bei adulten Buntspechten zur Kappe hin stets geschlossen ist, kann bei jungen Individuen ein wenig offen sein. Mitunter ist auch die typischerweise reinweiße Brust des Buntspechts bei juvenilen etwas gestreift.
Wenn nun diese mitunter variablen Merkmale allesamt bei einem Individuum vorkommen, kommt es bei nicht so erfahrenen Betrachtern oft zur Verwechslung mit dem selteneren Mittelspecht. Also Augen auf im Wald!
Die Fotos zeigen 2 verschiedene junge Individuen.
Jetzt im Mai war im Stadtwald alle paar Meter ein ausdauerndes sowie auch forderndes Piepsen aus den Bäumen zu hören: Es waren zum Großteil Nestlinge des Buntspechts, die unermüdlich nach mehr Futter gerufen haben, was von den Eltern mit vielen Anflügen quittiert wurde. Bei Singvögeln wie bspw. unseren Meisen ist es weitbekannt, dass diese ihr Nest zur Brutzeit reinlich und frei von Kot halten. Das ist in der Vogelwelt keine Selbstverständlichkeit, wenn man bspw. an höhlenbrütende Eulen denkt. Spechte sind keine solche „Schmutzfinken“ und wie man auf einem der Fotos sehen kann, wird der Kot aus dem Nest bzw. der Höhle heraustransportiert. Das ganze funktioniert deshalb so gut, da der Kot der Jungvögel in einer Art Säckchen ausgeschieden wird.
Rechnet man Brut- und Nestlingszeit zusammen, kommt man auf eine Dauer, die der ähnlich großer Vögel in etwa entspricht. Allerdings sind die Anteile bei Spechten stark verschoben: Die Brutdauer ist sehr kurz gehalten, beim Buntspecht z.B. durchschnittlich nur 8,5 Tage. Man erklärt sich diese Besonderheit damit, da sich in der Tiefe der Bruthöhle mit der Zeit der Kohlendioxidanteil erhöht und die passive Sauerstoff-Diffusion durch die Eierschale zum Embryo hin für die Versorgung nicht mehr ausreichend wäre. Durch das besonders zeitige Schlüpfen, bekommen die Küken durch die aktive Atmung nach dem Schlupf genügend Sauerstoff ab.
Auch mit den Buntspechten ist gut Kirschen essen:
Dass Insekten und insbesondere für die beiden Erdspechte Ameisen, eine wichtige Nahrungsquelle darstellen, ist weithin bekannt. Nicht ganz so geläufig ist das Wissen um den „Beerenhunger“ der Spechte, denn auch Beeren oder wie hier Kirschen stehen gerne auf dem Speiseplan und werden mitunter auch an Jungvögel verfüttert – Dies trifft auf alle Spechte zu wie ein interessanter Artikel von Siegfried Klaus im Specht-Sonderheft (02/2023) vom „Der Falke“ beweist.
Hier konnte ich einen weiblichen Buntspecht nicht nur beim Fressen von Kirschen fotografieren, sondern auch dokumentieren wie dazu eine Spechtschmiede als Hilfe genommen wurde, um das Fruchtfleisch um den Kern herum besser fressen zu können. Auch ein von diesem Weibchen noch geführter flügger Jungvogel wurde mit Kirschen gefüttert.