Vogel mit bester Frisur:
Dort hat es für uns das erste mal geklappt Kiebitze zu sehen: auf einer Feuchtwiese in Meck-Pom. Auf dem ersten Foto hat sich noch ein frecher Star dazugesellt, der wohl unbedingt mit aufs Foto wollte
Kiebitze zu sehen ist mittlerweile leider zu einer echten Herausforderung geworden. Durch Lebensraumverlust (Trockenlegung von Feuchtwiesen) und Brutverluste beim Bodenbrüten (Mahd zur Brutzeit zerstört die Gelege, Zunahme an Prädation) sind die Bestände seit den 80er Jahren um unglaubliche 93% zurückgegangen. Ein katastrophales Versagen der Politik, die damit gegen ihre selbst auferlegten Ziele und Wildvogel-Schutzgesetze verstößt.
„Kiewitt!“
So klingt der weinerliche und klagende Ruf des Kiebitzes. Daher auch sein Name, der im niederländischen noch besser zum Ruf passt: Kievit.
Von der unglaublichen & witzigen Frise einmal abgesehen, haben Kiebitze ein wirklich einmaliges Flugbild: Im Verhältnis zum Körper enorm große, breite Flügel, die schwarz umrandet sind und ein großes markantes weißes Fenster vom Körper bis zum Karpalgelenk aufweisen. Im Flug sieht man dann abwechselnd die schwarze Oberseite und die Unterseite mit dem leuchtenden Weiß.
Als Vogel, der ursprünglich die reich vorhanden Feuchtwiesen und Moore bewohnt hat, findet er am Wattenmeer ideale und mittlerweile selten gewordene Habitate zum Brüten, als auch zum Rasten. Die meisten Kiebitze sind nämlich Zugvögel und überwintern in den breiten des Mittelmeerraumes.
Dass bspw. in Emden die Tatsache von 93% Bestandsrückgang beim Kiebitz seit den 80ern genauso wenig ankam, wie das aktuelle Aussterben anderer Arten dieses Habitat-Typs oder es die Verantwortlichen einfach nicht interessiert, konnte man zuletzt deutlich sehen: Aus 77Ha wertvollen und mittlerweile seltenen Feuchtwiesen, soll das Neubaugebiet Conrebbersweg entstehen. Vom NABU gab es dafür den Negativpreis „Dinosaurier des Jahres“. Wie das mit deutschem und EU-Recht vereinbar sein soll, ist auch schwer nachzuvollziehen.
Als wären solche dauernden Lebensraumverluste nicht schon genug, hat der Kiebitz noch mit zig anderen menschengemachten Problemen zu kämpfen:
-Intensive Landwirtschaft: brütet der Kiebitz auf Wiesen, überlebt die Brut die jährlich bis zu 5 oder 6 Mal stattfindende Mahd nicht; brütet er auf Ackerland, wird das Gelege von modernen Zuchtpflanzen in kürzester Zeit komplett dicht zugewachsen;
-Neozoene wie Waschbären sowie auch die mittlerweile extreme Anzahl von ca 20Mio Hauskatzen, bilden zu den bereits vorhanden natürlichen Bodenprädatoren (Fuchs bspw) einen unnatürlichen Prädationsdruck
-in Naturschutzgebieten oder Nationalparks, die die Möglichkeit zur Kiebitzbrut bieten, gibt es leider immer wieder uneinsichtige und unwissende Hundehalter, die ihre Hunde frei laufen lassen und damit die Brutpaare nachweisbar zum Brutabbruch zwingen
-wie im Beispiel erwähnt: massive Lebensraumverluste durch einen extremen Flächenverbrauch
Noch sind die Bestandszahlen ausreichend genug, um gegenzusteuern und eine genetische Vielfalt zu sichern. Bei anderen Arten ähnlicher Habitate ist es dafür, zumindest in Deutschland, schon zu spät geworden.
Im September am Wattenmeer gab es natürlich neben einigen anderen besonderen Vögeln auch Kiebitze zu beobachten. An ihrer verwehten Frise kann man gut sehen, dass dort eine ordentliche Meeresbrise geweht hat!
Die Nahrungssuche im Watt läuft so ab wie Kiebitze das von ihren mittlerweile seltenen Bruthabitaten, nämlich Mooren und Feuchtwiesen, kennen. Wie viele andere aus der Familie der Regenpfeifer nutzt der Kiebitz ein Trippeln und Trampeln seiner Füße, um bodenbewohnende Kleintiere hervorzulocken bzw aufzuscheuchen. Das sind u.a. Insekten, Regenwürmer, Spinnen usw.
Eine andere interessante und sinnvolle Verhaltensweise begibt sich zur Brutzeit: Wenn ein Teil des Brutpaares sich dem Nest nähert, so fliegt er dieses nicht direkt an, sondern landet in der Nähe und läuft erst nach einigen Schlenkern und Kurven darauf zu. So soll potenziellen Nesträubern der Standort verheimlicht werden. Interessant ist auch, dass dabei konsequent eine andere Route und Richtung zum Nest genommen wird.
Einen von mehreren Kiebitzen habe ich an einem der Salzlacken, die um den Neusiedler See herum verteilt liegen, mit aerodynamisch angelegter Frisur erwischt Der Vogel des Jahres hatte auch allen Grund aufzufliegen: Eine Rohrweihe hat das Gebiet überflogen und für die dort brütenden Kiebitze heißt das dann: Aufsteigen und dem potenziellen Prädator der Brut eine auf den Hinterkopf verpassen. So ging die Rohrweihe ob der aufmerksamen Kiebitze leer aus und musste von dannen ziehen.
Durch die weiten und extensiv beweideten Grünländereien aus Feuchtwiesen bis Halbtrocken-Magerrasen, ist die Beobachtung brütender Kiebitze in der Region des Neusiedler Sees etwas ganz normales. Andere hierzulande seltene Brutvögel sind dann meist auch nicht weit: Rotschenkel, Flussregenpfeifer, Stelzenläufer, Uferschnepfen, Löffler, Säbelschnäbler, Große Brachvögel uvm.
Das zweite Foto ist Teil eines Trupps zur Zugzeit im September, was über einem Feucht- und Teichgebiet aufgenommen wurde.
Der Tolle mit der Holle…oder wie uns in Österreich, auf die Antwort der Frage, was dies für ein Vogel sei, entgegnet wurde: „Ah, des is de Kiebitz? Mit da Zipfer’l!“ Exakt!
Nicht nur die steile Frise ist immer einen Blick wert – vor allem die längere der Männchen – sondern auch das Spektakel, welches sich zur Balzzeit bietet. Wie bei vielen anderen Offenlandarten auch (Uferschnepfe, Sumpfohreule, Bekassine, uvm), machen Kiebitz-Männchen mit einem markanten Ausdrucksflug auf sich und ihr Revier aufmerksam. Dabei fliegt der männliche Frisurenträger übers Gebiet und lässt sich unter effektvollen „chui-wuit“ (ähnlich dem „kievitt“, aber nicht weinerlich) aufsteigen, um anschließend in abenteuerlichem Tempo nicht nur abzustürzen, sondern sich dabei oft noch zu drehen und kurz vor dem Boden abzulenken. So werden auch Revierstreitigkeiten ausgetragen – Was für eine Flugshow, vor allem bei der Flügelspannweite von ca. 80cm (die Angaben variieren stark von 70-87cm).