Bei Spechten sollte man nicht nur genau hinhören, sondern auch genau hinschauen, denn hier haben wir den Mittelspecht!
Der Name zeigt an, dass er sich von seiner Größe her zwischen seinen großen (Buntspecht) und ganz kleinen (Kleinspecht) Verwandten befindet. Ähnlich wie der Schwarzspecht sind sie grob überschlagen ca. 20x seltener als der bekannte Buntspecht, aber werden aufgrund ihres ähnlichen Gefieders leicht übersehen oder mit diesem verwechselt. Am Kopf sieht man aber deutlich den Unterschied zum Buntspecht.
Übrigens: Wir beherbergen in Deutschland ca 20%-35% des weltweiten Bestandes an Mittelspechten.
Rotkäppchen im Wald an der Saale im Mai – Der Träger vom roten Käppchen ist in diesem Fall der Mittelspecht; die wirklich stark leuchtende und kräftige rote Kappe verrät auch das männliche Geschlecht; bei den Weibchen ist die rote Kappe auch da, aber nicht so farbintensiv.
Der Mittelspecht hat mit seinem, im Vergleich zu anderen Spechten, etwas kürzeren Schnabel bei der Nahrungssuche seine eigene Strategie entwickelt und schält weder Borken ab (Schwarzspecht) noch durchwühlt er Ameisenhaufen (Grünspecht) oder schlägt Löcher in Rinde und Stamm, um Insektenlarven zu finden (Schwarz- und Buntspecht), sondern sucht vor allem Bäume mit grober Borke, wie die Eiche, auf und stochert mit dem Schnabel in den Borkenritzen nach Insekten. Daher wird er auch als Stocherspecht bezeichnet.
Durch seinen Multifunktionsschnabel kann er im Gegensatz zu anderen Spechten auch Raupen und Blattläuse von Blättern und Ästen direkt auflesen. Im Frühjahr schleckert er auch wie einige andere Spechte gerne mal Baumsaft. Dieses Verhalten bezeichnet man als Ringeln und dazu werden gezielt Löcher in die Leitungsgewebe der Baumstämme gehackt.
Während der Balz fällt der Mittelspecht durch seine markanten Rufe auf. Diese kann man weniger als Gesang, viel mehr als Quäken und kindliches Gequengel interpretieren.
Bei Frost und Sonne konnte ich diesen weiblichen Mittelspecht bei der Nahrungssuche beobachten und ablichten. Der Geschlechtsdimoprhismus ist bei dieser Spechtart eher schwach ausgeprägt und je nach Beobachtungsbedingungen und individueller Variation nicht immer klar auszumachen, aber generell haben Weibchen ein nicht so kräftig leuchtendes Rot in der Kappe und diese verläuft eher ins Schwarz.
Auf den Fotos kann man gut sehen, warum man den Mittelspecht zu den Stocherspechten zählt: Er ist auf Bäume mit grober Borke angewiesen, da er mit seinem feinen Schnabel dort nach Insekten stochert. Daher korreliert das Auftreten und die Häufigkeit von Mittelspechten mit der Anzahl geeigneter mit grober Borkenstruktur: Früher waren das auch sehr alte Buchen, heute vor allem Eichen, da letzte schon in jüngeren Jahren eine grobe Borke bekommen.
Wichtig ist dieses Tatsache auch beim aktuellen Waldumbau von gebietsfremden Fichten-Plantagen hin zu strukturierteren Mischwäldern – Da sollten dann auch entsprechend Eichen (nicht nur) für den Mittelspecht gepflanzt werden, zumal er als Deutsche Verantwortungsart gilt: Im Gegensatz zu anderen Spechten besiedelt er eine geographisch recht kleine Region und Deutschland beherbergt 20-35% des Weltbestandes.
Trommelnd wird man den Mittelspecht eher selten erleben, da er diesen Instrumentallaut nur relativ leise nutzt, um den Partner in der Nähe eine potenzielle Nesthöhle anzuzeigen.
Der Mittelspecht-Nachwuchs im Wald ist nach einer ca. 3 wöchigen Nestlingszeit ausgeflogen, wird aber noch ungefähr 10-14 Tage von den Eltern geführt. In dieser Zeit werden sie mit abnehmender Häufigkeit noch gefüttert und lernen dabei auch, wo es was zu holen gibt. Irgendwann, wenn sich der Hormonhaushalt der Alttiere wieder umstellt und der Drang das Revier von Artgenossen frei zu halten wieder stärker wird, werden sowohl Partner als auch Jungtiere aus dem Revier mit zunehmender Aggression vertrieben.