Blaumeise im Winter – Mit Standheizung!

Bei so einem winzig kleinen Fluffball wie der Blaumeise bekommen viele Menschen unwillkürlich Mitleid, dass der arme Vogel sich im Winter den gefiederten Popo abfriert. Darauf beruht das

weit verbreitete Missverständnis, dass Vögel im Winter wegen der Kälte ziehen – tatsächlich geht es (wie bei Winterschlaf haltenden Säugern) ausschließlich um die Verfügbarkeit von Nahrung.

Die meisten Vögel sind ausreichend gegen Kälte isoliert und zumindest einige, vielleicht sogar alle, haben im Gegensatz zu uns Menschen die Möglichkeit ihre Mitochondrien-Zahl bei Kälte einfach zu erhöhen! Zudem besitzen sie die wärmeproduzierenden Mitochondrien auch in den Roten Blutzellen – Von diesem Heizsystem können wir kälteempfindlichen Menschen nur träumen, da wir weder einen biochemischen Automatismus haben, der die Anzahl in der kalten Jahreszeit erhöht, noch überhaupt welche in den Roten Blutzellen haben.

Herausgefunden wurde das in einer 2021 veröffentlichten Studie, an der Wissenschaftler der Lund University in Schweden und Glasgow University in Schottland gearbeitet haben. Untersucht wurde dies an Blau-, Kohl und Tannenmeisen und es spricht nichts dagegen, dass es bei anderen Vögeln ähnlich ist. Wichtig ist für Vögel im Winter also, dass sie ausreichend Energie in Form von kalorienhaltiger Kost vorfinden, mit der sie die Mitochondrien versorgen können.

In diesem Licht betrachtet ist es wohl eher so, dass die Blaumeise mit uns Menschen im Winter Mitleid haben könnte

Ein zusammenfassender Kurzartikel der Lund-University

Das Original-Paper

Es ist immer was los – Auch im Winter!

Zur Katalogisierung und Kategorisierung haben wir Menschen viele Schubladen aufgemacht, die auch öfter ihrem Zweck dienen, der Komplexität der Realität aber selten gerecht werden. So ist das auch bei den Zugvögeln, die nach Nicht-, Teil-, Langstrecken- und Kurzstreckenzieher unterteilt werden. Schon bei Arten wie Turmfalke oder Bartmeise wird es schwierig, da Teile der Population oft nicht zielgerichtet gen Süden wandern, sondern teilweise einfach zu erfolgversprechenderen Nahrungsgründen wandern und den Landstrich wechseln – Strichvögel. Einige zerstreuen sich in Dispersionswanderungen, einige ziehen, einige bleiben.

Vom merkwürdigen Zug-, Überwinterungs- und Brutverhalten von Fichtenkreuzschnäbeln wollen wir an dieser Stelle gar nicht erst anfangen – Das ist ein Thema für sich

Aber auch bei Arten, bei denen lange Zeit alles recht klar war, ist die Sache, wohl auch durch den Klimawandel, diffiziler geworden. So überwintern mittlerweile regelmäßig ca. 10.000 Kraniche in Deutschland. Wie variabel das Verhalten ist, wurde vielen Menschen Weihnachten 2021 vor Augen geführt, als Kraniche am 26.12. laut trötend über Mitteldeutschland zogen. Ganz offensichtlich ein Trupp, der hier überwintert hat, es sich dann mit dem Kälte- und Schneeeinbruch dann doch noch anders überlegt hat und weitergezogen ist. Die hier gezeigten Fotos von einem Kranichtrupp aus ca. 100 Individuen habe ich am 26.11.23 aufgenommen. Bis dahin war das Wetter milder als im langjährigen Durchschnitt und kurz nach dem Zug kam dann der Schnee- und Kälteeinbruch, vor dem sie weggeflogen sind.

Stare, bekannt als Zugvögel schlechthin, sind in Deutschland regelmäßig im Winter anzutreffen. Auch hier kann man beobachten, dass es bei einem Kälteeinbruch noch zu einem verspäteten Wegzug kommen kann. Das Foto zeigt nur einen winzigen Ausschnitt eines Schwarm aus mindestens 500 Individuen, die sich im Verlauf des Tages bis zum Abend hin gesammelt haben, um später weiterzuziehen.

Für schöne Farbtupfer in der Winterlandschaft hat der Trupp aus ca. 70 Stieglitzen gesorgt, der zusammen mit ca. 10 Bluthänflingen unterwegs war und zwischendurch kurz mit einem ca. 50er Trupp Erlenzeisigen vergesellschaftet war. Finken, Ammern und Meisen ziehen im Winter oft in gemischten Trupps umher, um das karge Nahrungsangebot des Winters optimal nutzen zu können.

Davon, dass im Winter nichts los ist oder alle Vögel weg sind, kann also nicht die Rede sein! Von einem der besonderen Wintergäste – der Kornweihe – habe ich ja gestern berichtet Also warm einpacken, Augen und Ohren auf: Es gibt auch im Winter immer was zu entdecken!

Der Winter bringt nicht nur den Schnee

…sondern so manches Mal auch andere schöne Überraschungen wie diese weibliche adulte Kornweihe als Wintergast. Einst war die Kornweihe auch in Deutschland ein verbreiteter regelmäßiger Brutvogel; in Teilen der norddeutschen Tiefebene mit seine Mooren und Heidelandschaften sogar häufiger als die Rohrweihe. Davon übrig geblieben waren in den 2000ern noch 40-60 Brutpaare, bei der letzten Kartierung der Brutvögel 2011-2016 noch 8-9 Brutpaare – deutschlandweit.

Die Gründe für den Rückgang betreffen auch viele andere Arten, kumulieren sich bei der Kornweihe aufgrund ihrer Lebensweise aber alle gemeinsam. Entgegen dem, was der Name suggeriert, benötigt sie karge Offenlandschaften wie Feuchtwiesen, Moore, Verlandungszonen, trockenes Grünland und Dünen. Habitate also, die zur landwirtschaftlichen Nutzung trockengelegt (Moore, Feuchtwiesen), für den Torfabbau für Blumenerde noch immer zerstört (Moore) oder für Futtermittel intensiv samt Gelege der Kornweihe gemäht werden (Grünland).

Ausweichmöglichkeiten wie Getreidefelder enden spätestens mit der Ernte dabei tödlich.

Auf Dünen trifft dies nicht zu, so bieten bspw. die Ostfriesischen Inseln noch optimale Bedingungen. Hier ist das Problem anderer Art: die touristische Übernutzung und ganz konkret das Ignorieren von Schutzgebieten und Hinweisen, nicht angeleinte Hunde, Drohnen etc.

Auch die Prädation von Gelegen durch Kulturfolger wie Fuchs und Wildschwein spielen eine Rolle wie auch frei herumlaufende Haustiere wie Hauskatzen und Hunde. Nördliche Kornweihen teilen mit allen anderen Zugvögeln das Problem massiver Wilderei vor allem im Mittelmeerraum; aber auch mitten in der EU – wie auch in Deutschland – ist Greifvogelwilderei nach wie vor ein Thema.

Neuntöter-Männchen auf Ansitzwarte

Ein Neuntöter-Männchen im Juni bei seiner Lieblingsbeschäftigung: Nämlich auf seinem Ansitz auf passende Beute zu warten. Momentan wird man sie aber erst einmal nicht mehr sehen, denn Neuntöter sind bei uns Zugvögel, die in Afrika überwintern und ungefähr im August beginnt die Zugzeit für diese Vögel.

Zuerst ziehen dabei die adulten Tiere, daher wird man im August mit jedem voranschreitenden Tag immer mehr diesjährige Neuntöter als ausgewachsene entdecken, da die Eltern zuerst Richtung Afrika fliegen, während die Jungvögel zuvor noch in verschiedene Richtungen streuen und später ebenfalls wegziehen, um dann (hoffentlich) im nächsten Mai wiederzukommen.

Elegant und Flink – Flussseeschwalbe im Binnenland im Juni

Momentan dürften sie, wenn sie denn wohlbehalten angekommen sind, in West- und Südafrika auf Winterurlaub sein; auf dem Foto vom Juni waren sie noch im Lande: Flussseeschwalben.

Die ältesten Flussseeschwalben erreichen in freier Wildbahn ein beeindruckendes Alter von bis zu 30 Jahren. Allerdings ist die Sterblichkeit nicht nur bei diesjährigen Jungvögeln, sondern auch noch bei vorjährigen sehr hoch und leider sogar zunehmend. Man führt dies auf die Verschlechterung der Nahrungssituation in den vollkommen überfischten Küstenräumen zurück, womit vor allem jagdunerfahrene Vögel Probleme haben, was aber auch zu geringeren Bruterfolgen bei Altvögeln führt.

Vor allem für die im Binnenland lebenden Populationen ist das Hauptproblem aber der Schwund natürlicher Lebensräume; also naturnahe Flüsse mit weiten Auenlandschaften, Inseln und Kiesbänken. Etwas Abhilfe wurde mit Nistflößen geschaffen, welche aber auch für andere Arten wie (Lach)Möwen interessant sind und was dort entsprechend zu hoher interspezifischer Konkurrenz führt. Es führt also langfristig nichts drum herum, dass es Ruhezonen, natürliche Flussläufe und Kiesinseln braucht, um die Art zu erhalten.

Steile Frisuren und winterliche Gäste

Es geht los mit der Haubenmeise, die überall da, wo Nadelgehölze vorkommen häufig zu finden ist.

Zusammen mit der Weidenmeise, ist sie die einzig Meise, die sich ihre Höhlen in morsches Holz selbst hacken kann.

Die Haubenmeise brütet von allen Meisen am frühesten und hat entsprechend eine Strategie entwickelt, um mit den noch widrigen Temperaturen klarzukommen: Ihre selbst gezimmerten Baumhöhlen sind besonders stark mit Moosen, Tierhaaren u.ä. ausgepolstert und dadurch entsprechend gut isoliert. Außerdem hat sie von allen Meisen ja wohl die coolste Frise

Heute hatte ich einen ordentlich Bergfinken-Schwarm mit mindestens 250 Individuen, der auch typisches Schwarmverhalten gezeigt hat, wie man es bspw. von Staren kennt.

Bergfinken sind hier ausschließlich Wintergäste. Wieviele bei uns letztendlich überwintern, hängt von den Bedingungen in ihren nordischen Heimatländern ab: je strenger und schneereicher dort die Winter sind, desto mehr kommen hierher, um zu überwintern.

Bevor man sie gesehen oder anhand morphologischer Merkmale bestimmt hat, verraten sie sich oft schon durch ihre Laute: Bergfinken. Sehr markant ist er arttypische Ruf „wuäähd wuäähd“, der mich stark an eine länger gezogene, langsamere und tiefere Version des Dorngrasmücken-Rufes erinnert, welche zu der Zeit aber Winterurlaub in Afrika macht. Später im Winter kann man auch den Gesang hören, der lustigerweise Ähnlichkeit mit dem Ruf des Grünfinken hat, dabei aber höher ist. Lautmalerisch und als Eselsbrücke gedacht, klingt er für mich wie: „Beeerrrrrrrrrrrrrg!“. Etwas schwieriger ist der Flugruf, der an den Buchfinken erinnert, dabei aber nicht so weich klingt; aber meist folgt dann sowieso noch der typische und markante Kontaktruf.

Schwanzmeise im Herbstporträt

Sie waren mit ihren Kontaktrufen schon deutlich zu hören und zu bestimmen, bevor ich sie heute gesehen habe: Schwanzmeisen mit einem 4-fachen hohen Piepen und den typischen Schnarrlauten: brrrrd.

Dann hat sich der 10er Trupp vor mich in einem Strauch niedergelassen. Die eine war so nah, dass ich mir den Autofokus gleich gespart habe und es manuell versucht habe – glücklicherweise erfolgreich

Dieses Individuum des Typs EC war Teil eines 10er Trupps mit Schwanzmeisen der beiden Mischtypen EC und CE.

Schwanzmeisen haben nicht nur ein ausgeprägtes, sondern auch ein hochinteressantes Sozialverhalten mit einigen Besonderheiten, denn bei der Aufzucht, genauer gesagt der Fütterung, der Jungen bekommt ein Schwanzmeisenpaar gelegentlich Hilfe von Artgenossen! Das sind Individuen, die nicht gebrütet haben oder deren eigene Brut gescheitert ist. Die Helfer sind dabei mit einem der beiden Brutvögel verwandt.

Nach der Brutphase bilden sich dann Trupps aus den Eltern, Kindern und Helfern, die lange bis zur nächsten Brutphase zusammenbleiben. Um sich nicht zu verlieren halten die Trupps ausdauernd über hochfrequente ziiih-ziiih-ziiih-Rufe sowie ihre schnurrenden brrrrrrd-Rufe akustisch Kontakt miteinander. So eine Truppbildung ist nicht nur bei der Nahrungssuche hilfreich, sondern vor allem in frostigen Winternächten, da sich die Individuen dann eng aneinander kuscheln, um möglichst wenig Wärme zu verlieren. Aber natürlich ist man gemeinsam auch stärker, gerade wenn man eine kleine süße Plüschkugel mit meist 7-9g (6-10g)Gewicht ist.

Singdrossel mit widerspenstigem Essen

Auf den Fotos vom Juni sieht man unsere kleinste mitteleuropäische Drossel, die Singdrossel, bei ihrer typischen langgestreckten Haltung, die sie bei der Nahrungssuche immer wieder zum Sichern einnimmt, um bspw. nicht von einem Sperber überrascht zu werden. Eben diese Suche nach Nahrung hat sie hier zu einer Raupe des Braunen Bärs geführt, aber die ganze Angelegenheit war ihr dann im Wortsinn wohl doch zu haarig.

Wenn man sie nicht sieht, kann man sie zumindest ab Frühjahr wieder hören – Und wie! Ihr Reviergesang ist nicht nur unheimlich laut, sondern trotz der extremen Variation unverkennbar. Jedes Strophenmotiv wird dabei mehrmals, oft 2-3 mal, manchmal auch 4-5 mal, wiederholt. Ein arttypischer Laut, der immer zu hören ist, ist das lautmalerisch umschriebene “Kuh-Dieb! Kuh-Dieb!”, ansonsten imitiert sie auch sehr gerne Vogellaute aus der Umgebung. Eine Singdrossel an der Müritz konnten wir so bspw. bei der Imitation von Seeadler-Rufen beobachten, im Wald kann es auch mal passieren, dass sich der Schwarzspecht von der Singdrossel veräppeln lassen muss. Als im Thüringer Wald diesen Jahres der Krü-Krü-Krü-Krü-Krü-Flugruf des Schwarzspechts ohne Bewegung aus einem Baum kommt, war ebenfalls eine Singdrossel der Urheber.

Schaut aus wie er auch ruft: Grrrrrüüüüüün

Aus dem Trivialnamen des Grünfinken kann man schon ein paar richtige Dinge herleiten wie die Zugehörigkeit zur Familie der Finken, welche man auch gut am Finkenschnabel erkenne kann. Das mit dem Grün trifft vor allem auf die Männchen im Prachtkleid zu, Weibchen sind wesentlich matter gefärbt und zeigen eher ein gräuliches Grün. Oft für Irritation sorgen auch die Jungvögel, welche im Gegensatz zu den Altvögeln, sehr kräftige schwarze Strichel an Brust, Bauch und Flanken aufweisen. Immer markant sind die knallgelben Handschwingen, die beim sitzenden Vogel den Eindruck eines gelben Strichs vermitteln.

Wenn man sie nicht sieht, kann man sie dafür oft sehr gut hören: Der Ruf ist ein markant lang gezogenes „Grrrrrrrrrrüüüüüüün“, der Gesang dagegen eine schnelle Folge gleich klingender Trillerlaute. Dieser erinnert ein wenig an den Bluthänfling, weist aber im Gegensatz zu diesem nicht die effektvollen „Laserpistolen“ Variationen auf. Im Flug ist fast immer der Flugruf zu hören, der wie eine abgekürzte Version des Gesangs klingt. Ansonsten hört man gelegentlich auch ein nach oben ziehendes „wjiiüüüühd!“, was man auch oft von Stieglitzen hört. Dieser Ruf wird als Alarmruf benutzt.

Über Parasiten, Ökosysteme und Feldsperlinge

Diese zwei Feldsperlings-Individuen konnte ich letztes Jahr im Juni fotografieren. Während der eine einen blätternden, gefärbten Schnabel zeigte und ansonsten fit war, zeigte sich der andere recht lethargisch und wies auch fehlende Federn am Schnabelgrund auf. Vermutlich handelt es sich dabei um einen Parasitenbefall wie bspw. durch (Grab-)Milben. Das ist allerdings nicht sicher zu sagen, da es eine riesige Fülle an Parasiten gibt, die – wie überraschend – nun wahrlich keinen guten Ruf genießen.

Dabei zeigt die neuere Forschung, vor allem aus dem Bereich der Ökologie, dass Parasiten ein essenzieller und unabdingbarer Teil von intakten Ökosystemen sind. Sie halten Nahrungsnetze am laufen und erzeugen genug Selektionsdruck, um den Genpool fit und wehrhaft zu halten. Kein Wunder, denn wie man heute annimmt, müssen sich potenzielle Wirte schon seit ca. 500 Millionen Jahren mit parasitischen Lebensformen herumschlagen. So sagen Ökologen wie bspw. Peter Hudson von der Penn State University auch, dass ein gesundes Ökosystem auch reich an Parasiten ist.

Wir Menschen, die gut und gerne heutzutage 80 Jahre und älter werden, haben an ein gesundes Leben natürlich auch andere Maßstäbe. Die meisten Singvögel allerdings leben bis auf Ausnahmen i.d.R. nur 2-5 Jahre.